Wie funktioniert StoPpen?

8 Schritte

Das Handlungskonzept für „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ nach Stövesand (2007, S.274-293) wird im Rahmen einer Fortbildung vermittelt, über die zugleich der Zugang zu entsprechenden unterstützenden Materialien (z.B. für die Öffentlichkeitsarbeit) eröffnet wird. Es umfasst die folgenden acht konkreten Handlungsschritte:

Der StoP Ansatz Lehrfilm

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Dies ist eventuell die größte Hürde, denn Gewalt im Geschlechterverhältnis ist (noch) ein „Frauenthema“ und diese Themen haben keine starke Lobby und gelten als zusätzliche Belastung in einem ohnehin anspruchsvollen Arbeitsalltag. Die Entscheidung muss vorbereitet, Ressourcen und Kompetenzen der Einrichtung müssen analysiert und vermutlich erweitert werden.
Die Einrichtung sollte bereits im Stadtteil etabliert, in lokale Netzwerke eingebunden sein und über einen offenen Bereich (Treffpunkt) verfügen. Neben den institutionell-organisatorischen Ressourcen müssen „genderkompetente“ MitarbeiterInnen mit spezifischem Wissen zur Gewaltthematik und zur Gemeinwesenarbeit vorhanden sein. Mit „Genderkompetenz“ ist nicht nur Theorie- und Handlungswissen, sondern auch die Sensibilität für die Bedeutung der Kategorie Geschlecht generell und Selbst-Bewusstsein im Sinne der Reflexion der eigenen biographischen Gewordenheit und der erworbenen Geschlechtsidentität gemeint. Besonders in Stadtteilen mit einem hohen Anteil an MigrantInnen muss Genderkompetenz Wissen um kulturell differente Geschlechterkonzeptionen umfassen. Es braucht mindestens eine halbe Stelle für das Minimum von zwei Jahren sowie ein Sachkostenbudget (u.a. für Öffentlichkeitsarbeit).

 Der zweite Schritt dient gleichzeitig mehreren Anliegen:

  • der – geschlechtsspezifische Unterschiede einbeziehenden – Informationsgewinnung, z.B. über die soziale Lage der BewohnerInnen, ihre Bereitschaft, sich nachbarschaftlich zu engagieren bzw. bereits vorhandenes Engagement, über soziale Interaktion, „Schlüsselpersonen“, und soziale Netzwerke im Stadtteil, über Probleme und Ressourcen des Stadtteils, über die Haltung zur und Wahrnehmung von Beziehungsgewalt, Fakten zum Gewaltvorkommen;
  • der Öffentlichkeitsarbeit zum Gewaltthema;
  • der Ermöglichung von Lernprozessen;
  • dem Beziehungsaufbau und der Aktivierung von AnwohnerInnen.

Durch Informationen und Kontakte der Befragungen und Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Zeitungsartikel, Aushänge in Geschäften) kann im 3. Schritt versucht werden eine Gruppe zu bilden. Dieser Schritte sollte relativ früh erfolgen, denn dann können die BewohnerInnen des Stadtteils Aktionen zum Thema Gewalt in Partnerschaften selbst durchführen. Dafür muss die Gruppe ein Grundlegendes Interesse an dem Thema besitzen und Lust haben dieses gemeinsam zu bearbeiten.
In diesem dritten Schritt steht nun nicht mehr das Fachwissen der Professionellen/Fachpersonen an oberster Stelle, sondern die Menschen der vor Ort übernehmen Selbstverantwortung und die BewohnerInnen entwickeln mit Unterstützung von den Professionellen Programme, die in ihrer Lebenswelt stattfinden. Die Professionellen haben die Aufgabe, ihr Wissen zur Verfügung zu stellen, sowie Moderations- und Organisationsaufgaben zu übernehmen und Konzepte aus der Gruppen- und Bildungsarbeit anzuwenden, um so auf eine Bewusstseinsbildung hinzuwirken.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Gruppenbildung: das Thema kann mit einer schon bestehenden Frauengruppe be- und erarbeitet werden oder es kann eine Initiative gegründet werden, die sich als Aktionsgruppe versteht. Je nach Gruppe werden unterschiedliche Kompetenzen der Mitglieder erwartet (direkte Aktionen brauchen z.B. eher Mitglieder die schon Wissen zum Thema haben und über kommunikative Fähigkeiten verfügen).
Aufgrund des Themas und den darin enthaltenen Fragen nach Betroffenheit, Macht, Verantwortlichkeit bieten sich, zumindest zunächst, geschlechtshomogene Gruppen für die Arbeit im Stadtteil an. Anzustreben ist auf jeden Fall, dass es Gruppen für Männer und Frauen gibt, in ethisch gemischten Gruppen/Stadtteilen ist es wichtig, dass kulturelle Kompetenz und Offenheit bei der Gruppe und den Professionellen vorhanden ist.

Mit der bestehenden Gruppe soll versucht werden, Kontakte, Auseinandersetzungsprozesse und Gespräche mit Menschen aus dem Stadtteil zu initiieren, um so Beziehungen und Netzwerke zu knüpfen. Dazu können verschieden Aktionen wie z.B. Filmabende oder Flohmärkte veranstaltet werden, bei denen viele Menschen zusammenkommen.
Innerhalb der Gruppe sollen gemeinsam Bewusstwerdungs- und Veränderungsprozesse angestoßen werden.
Die Gemeinwesenarbeit unterstützt die AdressatInnen bei der Stärkung ihrer individuellen und kollektiven Handlungsfähigkeit, speziell beim Abbau von geschlechtsbezogener Dominanzverhältnisse. Das Ziel ist das Bewusstwerden über Verantwortung außenstehender Personen für den Ablauf des Geschehens in Gewaltsituationen sowie die Unterstützung bei der Entwicklung von Zivilcourage.

Schon seit jeher ist die Stadtteilvernetzung ein wichtiger Bestandteil von Gemeinwesenarbeit und es existieren verschiedene Stadtteilarbeitskreise von rein professionell besetzten zielgruppenspezifischen bis hin zu Zusammenschlüssen in denen BürgerInnen sowie VertreterInnen von aus der Politik, Behörden und Wirtschaft vertreten sind. Für die Motivation und Engagement macht es einen Unterschied, ob die Gruppen aus dem Stadtteil freiwillig gegründet wurden oder behördlich vorgesehen sind, zentral für alle ist auf jeden Fall der Informations- und Erfahrungsaustausch und eine gewissen Lobbyfunktion. Stadtteilarbeitskreise und -gruppen sind ein Instrument der Selbstqualifizierung, Angebote können aufeinander abgestimmt und Ressourcen gebündelt werden, so dass ein wechselseitiger Nutzen und eine Qualitätsverbesserung der Arbeit geschaffen wird.
Das Thema Gewalt gegen Frauen bietet vielseitige Anknüpfungspunkte für verschiedene Einrichtungen wie z.B. Jugendhilfe, Opferhilfe, schulische Gewaltprävention. Des Weiteren stärken solche Gruppen und Initiativen die Verhandlungsmacht gegenüber Politik und Behörden.

Durch die Thematisierung von Gewalt im Geschlechterverhältnis kann ein Bedarf an Beratung bei von gewalttbetroffenen Personen oder auch gewaltausübenden oder anderen Personen entstehen, so dass die Schaffung eines Beratungsangebotes wichtig ist. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Beratungsangebote bei welchem hauptsächlich Kontakte zu anderen Institutionen vermittelt werden, oder Kooperationen mit schon bestehenden Beratungseinrichtungen, die zu regelmäßigen und festen Zeiten in den Stadtteil kommen, oder das Einrichten einer eigenen Beratungsstelle. Dies muss je nach Kapazitäten und Bedarf entschieden werden

Im siebten Schritt geht es darum, die Kontakte und Engagementbereitschaft weiter zu pflegen und zu vertiefen, da dies die Grundlage ist für den Aufbau einer interventionsfähigen Struktur, welche in der Lage ist, Druck auf die Politik auszuüben.
Community Organizing bedeutet den Aufbau von durchsetzungsstarken Bündnissen durch kontinuierliche Beziehungsarbeit. Wichtig ist dabei, darauf zu achten, dass die Gremienarbeit und Organisierungsprozesse das Empowerment von Frauen unterstützen und nicht traditionelle Rollen reproduziert werden.

Fortschritte hinsichtlich der Prävention und des Abbaus von Gewalt im Geschlechterverhältnis sind davon abhängig, wie die Gleichstellung der Geschlechter auf verschiedenen Ebenen (politisch, gesetzlich, finanziell, „kulturell“) befördert wird. Relevant sind hier zwei Handlungsebenen: die Organisierung und politische Einmischung der BewohnerInnen und die der Professionellen.

Zur 1. Ebene:

  • Die BewohnerInnen werden von GemeinwesenarbeiterInnen bei ihrem Engagement unterstützt und von ihnen in Richtung strategische Planung und Vorgehensweise sowie gezielter Taktiken beraten. Wichtige Elemente der Strategieentwicklung sind:
  • Eingrenzung des allgemeinen Problems der Gewalt im Geschlechterverhältnis zu konkret benenn- und veränderbaren Missständen.
  • gemeinsame Zieldefinition, wobei das Ziel auf jeden Fall realistisch sein muss
  • vorhandene Ressourcen müssen abgeklärt werden (Geld, Zeit, Wissen, BündnispartnerInnen etc.)
  • Machtanalyse: wer hat bezüglich des Anliegens welchen Einfluss, welche Macht? Abstrakte Strukturen sind nicht ansprechbar, sondern das Problem muss personalisiert werden
  • Festlegung von Aktionen die dem Ziel angemessen sind und von Handelnden gemeinsam getragen werden
  • Erstellung von Zeit- und Ablaufplänen, in dem Verantwortlichkeiten und Aufgaben geregelt sind
  • die Auswertung, um den Grad des Erfolgs und die Faktoren, die förderliche oder hinderliche Wirkung hatten, einschätzen und für zukünftiges Handeln fruchtbar zu machen

Zur 2. Ebene:

  • diese bezieht sich auf die advokatorische Tätigkeit der Professionellen, denn die Nutzung professioneller Beziehungen ist wichtig als Ergänzung zur Aktivierung von BewohnerInnen. Erforderlich ist eine politische Netzwerkarbeit im Interesse der AdressatInnen, welche die doppelte Perspektive a) der Vernetzung des einzelnen Gemeinwesenprojektes zur verbesserten Durchsetzung der Anliegen seiner NutzerInnen und b) eine Vernetzung der gesamten sozialpolitischen Opposition zu den für die BewohnerInnen relevanten Bereiche der Sozial-, Verkehrs-, Wirtschafts-, Bau- und Umweltpolitik enthält. Wichtig sind zusätzlich noch Bündnissemit überregionalen Initiativen.